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AutorenbildSusana Riederer

GEHT ES DABEI UM SEX? Was eine Massage zu Tantra macht

Woran denken Sie, wenn Sie Tantra-Massage hören? An nackte Körper, sinnliche Berührungen und – Sex? Worum es bei der tantrischen Körperarbeit tatsächlich geht.


Wer Tantra hört, reist gedanklich vielleicht nach Indien und denkt an Sex in Räucherstäbchen-Ambiente. Oder stellt sich fragwürdige Massage-Studios vor, die wie indische Ashrams aussehen und am Wochenende Orgasmus-Workshops anbieten. Doch sobald man sich dem Thema seriös nähert, wird man schnell feststellen: Tantra ist alles andere als nur esoterische Patchouli-Erotik.


Was genau sind Tantra-Massagen eigentlich?

Obwohl es zuerst nicht danach aussieht: Wer online nach "Tantra Massage" und einem passenden Studio sucht, findet an die 72.400.000 Ergebnisse. Gleich auf der ersten Trefferseite wird man mit Schlagwörtern wie Sex, erotisch oder Lust konfrontiert. Nicht unbedingt vertrauenserweckend, wenn man eine Massage buchen will, das Kopfkino aber gerade anfängt, in Richtung käufliche Liebe weiterzudrehen.


Weit weg scheint die "Vision einer achtsamen und respektvollen sinnlichen Berührungskultur", so lautet eines der Ziele des Tantramassage-Verbands, dem Berufsverband für zertifizierte tantrische Körperarbeit und sexuelle Gesundheit. Tantra-Masseur*innen begreifen ihre Arbeit nämlich als Angebot zur ganzheitlichen Entwicklung des Menschen im Sinne der WHO. Dazu gehört eine gesunde Körperwahrnehmung und Sexualität.


Warum landet Tantra trotzdem oftmals in der Schmuddelkiste? "Der Begriff Tantramassage ist nicht geschützt und kann entsprechend auch für erotische Massagen genutzt werden", erklärt der Vorsitzende Olaf Göbel. Deshalb bietet der Berufsverband eine entsprechende ein- bis zweijährige Ausbildung an. Gelehrt werden die Techniken der Massage, anatomische und physiologische Grundlagen, Übungs- und Überprüfungsmassagen, abgeschlossen wird mit einer theoretischen und einer praktischen Prüfung sowie einem Zertifikat.


Diese Qualitätsmerkmale machen eine Tantra-Massage aus

Danach kennt jede*r zertifizierte Tantramasseur*in diese fünf Qualitätsmerkmale, die Gesetz sind für eine seriöse Tantra-Massage:


  • Gleich & gleich: Jede Stelle des Körpers bekommt die gleiche Aufmerksamkeit. Der Fokus liegt NICHT auf der Stimulierung des Geschlechtsteils, ein Orgasmus ist nicht das Ziel – wie bei erotischen Massagen.

  • Eins bleibt Eins: Die Berührung gilt allein der Klientin bzw. dem Klienten. Die massierende Person darf selbstverständlich nicht angefasst werden.

  • Augen zu: Die Klient*innen sind dazu eingeladen, die Augen zu schließen. Die Behandlung findet ohne Augenkontakt statt, sodass es allein um die Qualität der Berührung geht. Bei erotischen Massagen hingegen steht die Stimulation mit optischen Reizen im Vordergrund.

  • Der Weg ist das Ziel: Das Erleben des eigenen Körpers steht im Fokus. Das allein ist schon für viele eine völlig neue Erfahrung. Viele Klient*innen fühlen sich nicht mit ihrem Körper verbunden; mit ihm und den eigenen Emotionen wieder in Kontakt zu treten ist ein Prozess, bei dem die/der Tantra-Masseur*in helfen und unterstützend begleiten kann.

  • Ablauf: Es gibt eine klar gegliederte Struktur. Eine zertifizierte Tantra-Massage dauert durchschnittlich etwa zwei Stunden und folgt einer in der Ausbildung erlernten Technik – von der Begrüßung bis zur Beendigung der Behandlung.


Das Wichtigste: die sanfte Berührung

Nach diesen Kriterien bietet eine Tantra-Massage also mehr als bloße Entspannung. Sie möchte die Gesundheit von Körper, Geist und Seele fördern und die innere Verbindung der Klient*innen zu sich selbst stärken. Tantra-Masseur*innen finden darin einen spirituellen Ansatz, der in der indischen Philosophie wurzelt. In der Ursprungsbedeutung steht der Begriff Tantra in Sanskrit für Gewebe, Kontinuum, Zusammenhang. Alle Aspekte des Menschlichen dürfen in einer Tantra-Massage sein, wenn die massierende Person durch eine achtsame Behandlung körperliche und emotionale Blockaden in Bewegung bringt und manchmal auch lösen kann.

Das Hauptwerkzeug dabei: die sanfte Berührung. Deren positive Wirkung auf physischer und psychischer Ebene belegen Studien immer wieder. Menschen, die täglich berührt werden, zum Beispiel durch eine Umarmung, gelten als weniger anfällig für Erkältungskrankheiten. Massage-Therapien werden längst komplementärmedizinisch genutzt, bei Krebs-, Angst- oder Depressionspatient*innen ist das der Fall. Auch die Hirnforschung bestätigt die bestärkenden Auswirkungen von Berührungen. Sie bauen Cortisol (Stresshormon) ab, schütten Serotonin (Glückshormon) und Oxytocin (Liebeshormon) aus und bekämpfen Stress, depressive Phasen und Aggressionen.


Welche Rolle die Geschlechtsteile spielen

Neben dem Abbau und Aufbau von emotionalen und körperlichen Reaktionen bietet eine professionell durchgeführte Tantra-Massage den Klient*innen die Freiheit, ob ihre Genitalien mitmassiert werden dürfen – oder nicht. Es ist nämlich ein Irrtum, dass Tantra-Masseur*innen Yoni (weibliches Geschlechtsteil) und Lingam (männliches Geschlechtsteil) automatisch mitmassieren. Natürlich haben die Klient*innen die Wahl. Und eine Massage erfüllt ihren Zweck unabhängig davon, ob Personen ihr Heiligstes anfassen lassen oder nicht. Während einer Behandlung ist man idealerweise nackt, sodass der ganze Körper mit der für Tantra-Massagen typischen Technik berührt, gestreichelt und angefasst werden kann.


Wer sich trotzdem nicht ins nächste Tantra-Massage-Studio traut oder grundsätzlich keine fremden Hände am Körper haben will, sich dennoch nach Berührung sehnt, darf die Idee der Tantra-Massage in seinen Alltag übernehmen. Erfahrungsgemäß tun absichtslose Berührungen in einer Beziehung gut. Wie wäre es, einfach mal neben dem/der Partner*in zu liegen und nicht mehr zu wollen, als Körperstellen zu berühren, die man sonst nicht unter den Fingern hat?


Oder das Handy therapeutisch einsetzen? Sich öfter am Tag seinen Wecker stellen und sich erinnern, dass es Zeit für eine Kuscheleinheit oder eine einfache Umarmung ist. Eine Person, die sich ebenfalls darüber freut, ist dann bestimmt in der Nähe: Partner*in, Kind, Freund*in, Nachbar*in, die nette Bäckersfrau – auch Ihr Haustier wissen es garantiert zu schätzen. Gelegenheiten selbst schaffen, die einem selbst und anderen guttun.


Denn bei einer Tantra-Massage – wie wir jetzt wissen – geht es hauptsächlich um: Berührung.





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